Eintrag 4: Mein Leben in Kambodscha – kleine Übersicht nach einem Monat

 

 

Mein Leben in Kambodscha – Übersicht nach einem Monat

Seit über einem Monat wohne ich nun in Kambodscha. In dieser Zeit hab ich bereits viel erlebt. Ich finde, es ist an der Zeit, dass ich euch einen kleinen thematisch sortierten Überblick über mein Leben in Kambodscha gebe.


Allgemeines

Ich mache einen weltwärts-Freiwilligendienst mit Brot für die Welt in Phnom Penh, der Hauptstadt Kambodschas. Der Freiwilligendienst dauert insgesamt zwölf Monate. Am 23 August kamen meine drei Mitfreiwilligen und ich in Kambodscha an und wurden am Flughafen von unserer Landeskoordinatorin abgeholt. Nach einem Akklimatisationstag hatten wir ein einwöchiges Ankunftsseminar, in welchem wir viel über die Kultur, die Geschichte und die politische Situation Kambodschas lernten und auch schon zum ersten Mal kambodschanisch kochten.


Ab der zweiten Woche begann die Arbeit in unseren Arbeitsstellen.

Meine Mitfreiwilligen und ich sind in ganz unterschiedlichen NGOs eingesetzt. Während Amala beim „Salvation Centre Cambodia“ (SCC) benachteiligten Kindern Englischunterricht gibt, arbeitet So in dem Radiosender WMC (Women’s Media Centre), der sich speziell an Frauen auf dem Land richtet. Paul arbeitet bei „Youth Council of Cambodia“ (YCC) einer großen Jugendorganisation in Kambodscha.

Meine Einsatzstelle für den Freiwilligendienst ist die NGO „Khmer Community Development“ (KCD), die verschiedene Projekte in den Bereichen Kinderrechte, Frauenrechte, Entwicklung ländlicher Gemeinden und dem friedlichen Zusammenleben von verschiedenen ethnischen Gruppen durchführt. Ich durfte im Rahmen meiner Arbeit bereits mehrmals zu Projektaktivitäten in die „Provinz“ reisen und auch an einer wichtigen Bildungskonferenz dabei sein. Mehr zu meiner Arbeit, findet ihr unter dem Reiter „Meine Arbeit bei KCD“.

Außerhalb der Arbeit haben ich und meine Mitfreiwilligen die Zeit bisher damit verbracht Phnom Penh zu erkunden und das kambodschanische Essen zu probieren. Ein Highlight war definitiv der Trip nach Siem Reap und Battambang während der Pchum Ben (Ahnenfest) Feiertage gemeinsam mit zwei meiner Mitfreiwilligen.

Während wir vier Freiwilligen den ersten Monat des Freiwilligendienstes gemeinsam in einer WG im Stadtteil Tuol Tumpoung verbrachten, sind wir jetzt in unterschiedlichen Orten untergebracht. Amala ist Ende September nach Siem Reap umgezogen, Paul bleibt in der WG-Wohnung. Ich wohne seit etwa einer Woche mit So bei einer kambodschanischen Gastfamilie weiterhin im Stadtteil Tuol Tumpoung, nur 10 Minuten von der alten WG-Wohnung entfernt.


Meine Arbeit bei KCD

Meine Einsatzstelle ist die NGO „Khmer Community Development“(KCD). Die NGO führt verschiedene Projekte in den Bereichen Kinderrechte, Frauenrechte, Entwicklung ländlicher Gemeinden, Ökolandwirtschaft und dem friedlichen Zusammenleben von verschiedenen ethnischen Gruppen durch. Das Büro ist in der Hauptstadt, nur 10 Minuten mit dem Fahrrad von meinem Zuhause entfernt. Weil die meisten Projekte auf dem Land durchgeführt werden, ich aber momentan in der Hauptstadt eingesetzt bin, habe ich bisher nicht besonders viel zu tun. Trotzdem durfte ich schon einige interessante Erfahrungen sammeln und bei Projektaktivitäten außerhalb der Stadt dabei sein und Spiele anleiten, oder Notizen für den Projektbericht machen. Vor zwei Wochen war ich auch bei einer relativ wichtigen Bildungskonferenz, der „7th National Conference on the Changing the Education Paradigm“ dabei. Bei dieser Konferenz haben Jugendliche, die an einem Theaterprojekt von KCD teilnehmen, ein kurzes Stück aufgeführt, dass die Probleme in ihren Gemeinden beleuchtet. Bei der Aufführung waren Vertreter verschiedener NGOs aus dem Bildungsbereich und eine Delegation aus dem Bildungsministerium anwesend.

 

Jugendliche aus einem KCD Projekt führen ein Theaterstück bei einer Konferenz auf

 Jugendliche aus einem KCD-Projekt führen ein Theaterstück auf der Bildungskonferenz auf

 

Dieses Wochenende fahre ich mit KCD nach Siem Reap, wo ein Treffen zwischen den verschiedenen Theatergruppen stattfindet, die von KCD angeleitet werden. Ich freue mich darauf wieder im schönen Siem Reap zu sein und Theaterübungen anzuleiten.

Ab Novemberwerde ich vermutlich jeweils zwei Wochen auf dem Land und zwei Wochen in der Hauptstadt verbringen, um stärker in Projekte eingebunden zu werden.



Phnom Penh

Der Legende nach kamen im Jahr 1373 fünf Buddhastatuen in einem ausgehöhlten Baumstamm den Mekong herab geströmt und wurden von einer reichen Witwe namens Daun Penh gefunden. Gemeinsam mit ihren Nachbarn errichtete sie einen Hügel und ließ auf diesem ein Haus für die Buddhastatuen bauen. Um den Hügel herum, der noch heute unter dem Namen Wat Phnom existiert, entstand mit der Zeit eine Stadt.

Wat Phnom - der Ort wo der Legende nach Phnom Penh gegründet worden ist 

Auf Khmer heißt Berg oder Hügel „Phnom. Phnom Penh setzt sich also aus dem Khmer Wort für Hügel (Phnom) und dem Namen der Witwe, die die Statuen gefunden hatte (Penh) zusammen. Tatsächlich wurde im Jahr 1434, nach dem Fall von Angkor, die Hauptstadt des Khmer-Königreiches in das Gebiet des heutigen Phnom Penh verlegt. Im Laufe der Zeit hatte Phnom Penh Phasen, die von Aufschwung geprägt waren, genauso wie verschiedene Krisen.

Die Tuol Sleng Schule diente den Roten Khmer als Foltergefängnis. Heute ist es ein Museum 

Das dunkelste Kapitel in der Stadtgeschichte war sicherlich die Zeit der Roten Khmer. Als die Roten Khmer im April 1975 an die Macht kamen, befahlen sie der gesamten Bevölkerung die Stadt innerhalb weniger Stunden zu verlassen. Alle anderen Städte Kambodschas wurden in der Zeit der Roten Khmer übrigens auch verlassen. In den nächsten vier Jahren wurden die Kambodschaner zu harter Zwangsarbeit auf dem Land gezwungen, wobei viele aufgrund von Unterernährung oder Krankheiten starben oder gezielt von den Roten Khmer gefoltert und ermordet wurden. Erst nach dem Vietnam 1979 mit einer militärischen Operation große Teile Kambodschas befreite, kehrte allmählich das Leben in die Stadt zurück. Die Zeit der roten Khmer und der darauffolgenden Bürgerkriege hatte Phnom Penh, welches noch in den 1960ern als „Perle Asiens“ den Stadtplanern Singapurs als Inspiration diente, in seiner Entwicklung weit zurückgeworfen.

 

 

Phnom Penhs Skyline (wenn man in die entgegengesetzte Richtung blicken würde, sähe man noch viel mehr Hochhäuser)

Heute ist Phnom Penh, die Hauptstadt Kambodschas, eine lebendige, vielfältige und bisweilen auch chaotische Metropole. Mopeds, Tuktuks, Autos, Fußgänger und hin und wieder Fahrräder teilen sich die Straßen, von einfachen Straßenständen, bis hin zu edlen Boutiquen und Malls gibt es ein unüberschaubares Angebot an Produkten und an jeder Ecke ragen neue Hochhäuser in den Himmel.  

Insbesondere nahe der Innenstand spürt man, wie chinesisches Investment das Bild der Stadt verändert. Interessanterweise gibt es in Phnom Penh sogar einen neugebauten Stadtteil, der europäischen Städten nachempfunden ist. Wenn man durch die Straßen von Diamond Island geht, könnte man durchaus meinen, man befinde sich in Paris. Es gibt dort sogar eine Arc de Triomphe.

Gleichzeitig hat der scheinbar unkontrollierte Bauboom zur Folge, dass Seen zugeschüttet und die wenigen verbleibenden Grünflächen versiegelt werden und z.T. alte Bausubstanz zerstört wird.

Bei aller Modernisierung, spielen aber Traditionen weiterhin eine Rolle und zeigen sich auch am Stadtbild. Zum Beispiel gibt es in Phnom Penh zahlreiche prächtige Pagoden (buddhistische Tempel). Zudem steht vor fast jedem Gebäude ein „Geisterhäuschen“. Opfergaben, die in dem Geisterhäuschen platziert werden, sollen die Hausgeister wohlgesonnen stimmen.


 Ein Geisterhäuschen

Der Stadtteil, in dem wir leben, heißt Tuol Tumpoung. Das Zentrum des Stadtteils bildet der Psa Tuol Tumpoung (auch Russian Market genannt), ein riesiger überdachter Markt, in dem man alles kaufen kann, von Souvenirs bis zu lebendem Fisch, von Bohrmaschinen über Kleidung bis hin zu verschiedensten tropischen Früchten. Die Straßen um den Markt sind von älteren drei- bis fünfgeschossigen Bauten aus der Kolonialzeit (?) geprägt. Hochhäuser gibt es zwar auch, aber deutlich weniger als in manchen anderen Stadtteilen. Der Stadtteil ist vor allem bei westlichen Ausländern beliebt, von denen viele hier wohnen. Gleichzeitig leben auch viele Kambodschaner in dem Stadtteil. Weil Tuol Tumpoung ein angesagter Stadtteil ist, gibt es hier viele Cafés, Geschäfte, Bars und Sportangebote. Nur Parks sucht man hier vergeblich.

Der Stadtteil Tuol Tumpoung von oben

 

Geschäftiges Treiben am Toul Tumpoung Markt 

Am Anfang war ich von Phnom Penh überfordert. Der Mangel an Grünflächen und der chaotische Verkehr machten mir zu schaffen. Mittlerweile habe ich mich an beides halbwegs gewöhnt und beginne die Vorzüge des Lebens hier zu schätzen.



Reichtum und Armut

In den letzten Jahrzehnten hat es eine kleine Elite zu unermesslichem Reichtum geschafft und scheut sich nicht davor diesen Reichtum mit teuren Autos und prunkvollen Villen zur Schau zu stellen. Obwohl Kambodscha eigentlich eines der ärmsten Länder Südostasiens ist, sind auf den Straßen der Hauptstadt mehr Porsches als in Deutschland zu sehen. Einen Hinweis auf die Ursprünge dieses Reichtums gibt die Website transparency.org

Gleichzeitig ist es aber offensichtlich, dass der Reichtum nur bei einer kleinen Bevölkerungsgruppe konzentriert ist. Viele Kambodschaner leben immer noch in Armut.

So sieht man viele „fahrende Händler“, die mit ihren Essensstand durch die Straßen ziehen und Mahlzeiten für gerade mal einen Dollar verkaufen.

Ein Tuktuk-Fahrer mit dem ich mich mal unterhalten habe, hat stolz davon erzählt, dass er an manchen Tagen 20 bis 30 Dollar verdient. Das ist mehr Geld, als in seinem früheren Beruf, aber viel Geld für eine vierköpfige Familie in der Landeshauptstadt ist es nicht. Hinzu kommt, dass er jeden Tag von 7 Uhr morgens bis spät abends unterwegs sein und durch den chaotischen Verkehr kurven muss.

Auch der Tourismussektor hat sich immer noch nicht vollständig von der Corona-Pandemie erholt und die Grenzschließungen zu Thailand stellen besonders im Westen des Landes eine neue Herausforderung dar. In Battambang (einer Stadt nicht weit von der Grenze zu Thailand) waren wir erstaunt davon, wie wenig Touristen wir begegneten, obwohl die Stadt in jedem Reiseführer relativ prominent erwähnt wird, und wie heruntergekommen die Straßenzüge im Vergleich zur Hauptstadt sind. In unserer Unterkunft waren wir die einzigen Gäste und auch für Touristenführer ist es schwer an Kundschaft zu kommen. Selbst in Siem Reap, der wahrscheinlich touristischsten Stadt Kambodschas, erzählte uns eine Mitarbeiterin des Hostels, das es dieses Jahr, aufgrund des Konflikts mit Thailand, deutlich weniger Touristen gebe.


Als Freiwilliger bekomme ich beide Extreme des Landes mit. Durch die 120 Euro an Essensgeld, die ich von Brot für die Welt monatlich bekomme, sowie meinem Kindergeld, lebe ich als Freiwilliger durchaus privilegiert in Kambodscha. Zwar muss ich auch mit dem Geld haushalten, kann mir aber doch mehr leisten, als ich es in Deutschland könnte. Ein Spaziergang reicht aber aus, um die harte Lebensrealität für viele Menschen hier zu sehen. Tiefere Einblicke bekomme ich jedoch über meine Arbeit, KCD führt nämlich viele Projekte mit benachteiligten Gruppen durch. Letzte Woche war ich z.B. bei einem Projekt dabei, in dem die Zielgruppe von Armut betroffene ältere Frauen sind, welche mit ihrem geringem Einkommen oft auch ihre Familie versorgen müssen.


Andererseits hatte ich auch schon Begegnungen mit der Oberschicht und war z.B. mal bei einer Feier von sehr, sehr reichen Kambodschanern eingeladen. Während ich wenige Stunden zuvor noch für 1,50 USD Mittag gegessen hatte, befand ich mich auf einmal in einer dreistöckigen Villa, mit fünf SUVs in der Einfahrt, die alle den Gastgebern gehörten.


Ich bin dankbar dafür, dass ich die verschiedenen Facetten des Landes kennenlerne. Kambodscha ist zwar ein „Entwicklungsland“, dass heißt aber nicht, dass es hier keinen Reichtum gibt. Genauso gibt es auch eine wachsende Mittelschicht und insbesondere Bildung kann hier, wie überall auf der Welt, einen Schlüssel für sozialen Aufstieg darstellen. Gleichzeitig darf man aber nicht ignorieren, dass weiterhin große Ungerechtigkeiten bestehen.






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