Eintrag 7: Über die kambodschanische Sprache
Nach dem es im vorherigen Artikel ein bisschen politischer zuging, kommt hier ein etwas leichteres Thema! Wobei, das Sprachenlernen ist auch nicht immer einfach.
Khmer, die Amtssprache Kambodschas wird von etwa 16 Millionen Menschen, vor allem in Kambodscha, aber auch in Vietnam, Thailand und Laos gesprochen. Sie gehört gemeinsam mit Vietnamesisch zur Austroasiatischen Sprachfamilie und innerhalb dieser Familie zur Untergruppe der Mon-Khmer-Sprachen. So viel ergibt eine kurze Wikipediarecherche
Um ehrlich zu sein, viel mehr wusste ich vor drei Monaten auch nicht über die Sprache, die ich dieses Jahr überall um mich herum hören sollte.
Obwohl, so ganz stimmt das wohl auch nicht: in der zehnten Klasse hatte ich in den USA ein Auslandsjahr gemacht. In der Stadt Long Beach, in der ich damals lebte, gibt es eine große kambodschanische Community. Die Menschen waren in den 70ern und 80ern vor den Roten Khmer und den Unruhen in Kambodscha geflohen. Obwohl in Long Beach tausende „Khmericans“, kambodschanische Amerikaner, lebten, wusste ich trotzdem lange nicht einmal, wie man den Namen der Sprache korrekt ausspricht.
Manche, die nie in Kambodscha waren, sagen, wie mein amerikanischer Gastvater, „Kamàr“. Die meisten unwissenden Westler sagen aber intuitiv „Kmer.“ Tatsächlich wird die Sprache aber „Kmai“ genannt. Also quasi wie „Thai,“ nur dass statt dem „T“ vorne ein „Km“ gesprochen wird. Wie man von der Aussprache „Kmai“ zu der üblichen Transkription „Khmer“ gekommen sein soll, ist mir aber immer noch ein Rätsel.
Ich muss zugeben, Khmer und ich haben ein wenig gebraucht um uns anzufreunden. Ich versuchte mich auf die Sprache einzustellen und offen zu sein. Doch ich wurde mit dem Klang der Sprache zunächst nicht so richtig warm. Khmer klang für mich sehr gepresst, ziemlich nasal und irgendwie auch ein bisschen zu „süß“.
Ich versuchte trotzdem (und versuche weiterhin) sie zu lernen, immerhin bin ich für ein ganzes Jahr in Kambodscha. Ein wenig zwingen musste ich mich aber manchmal schon, mich auf Khmer zu fokussieren und nicht stattdessen Französisch zu üben, eine Sprache für die ich in den letzten drei Jahren ein Begeisterung entwickelt habe.
Zum Glück unterstützt Brot für die Welt das Erlernen der Landessprache und wir bekommen sogar einen Sprachkurs. Am Anfang lernten wir mit unserem „Lokkru“ (Khmer für Lehrer) zwei Stunden täglich in unserer WG, mittlerweile treffen wir uns wöchentlich in einem Café. Mit unserem Lehrer macht das Lernen richtig Spaß. Der Unterricht ist an sich relativ simpel, wir arbeiten einfach ein Buch durch, aber es ergeben sich viele witzige Situation.
Zum Beispiel, wenn wir vergeblich versuchen einen bestimmten Klang auszusprechen. Khmer hat deutlich mehr verschiedene Klänge als Deutsch. So gibt es, nicht nur „b“ und „p“, sondern auch einen dritten Konsonanten, der zwischen „b“ und „p“ liegt, also in etwa wie „bp“ klingt. Gleiches gilt für „dt“, welches zwischen „d“ und „t“ liegt, „g“ und „k“ und so weiter. Auch gibt es verschiedene „o“ Sounds. Das eine „o“, ähnelt dem deutschen Pendant, das andere ist deutlich kehliger.
Ausgeschrieben sieht ein kambodschanischer Satz in etwa so aus:
ខ្ញុំចេះនិយាយខ្មែរតិចៗ
Kryptisch. Aber cool. Oder?
Khmer hat ein ziemlich abgespacetes cooles Skript, das vom indischen Sanskrit abstammt. Ein Zeugnis von dem großen Einfluss, den Indien schon damals auf die Welt hatte. Vor tausend Jahren hat Indien ein Schriftsystem exportiert, heute sind es unter anderem Tuktuks, die vom Subkontinent nach Kambodscha gelangen.
Im Laufe der Jahrhunderte wurde das Sanskrit von den Kambodschanern modifiziert, verändert, „aufgetunt“ - und jetzt haben wir das Khmer-Skript. Kambodschaner können zwar einzelne Zeichen in Sanskrit wiedererkennen, aber mittlerweile sind die Unterschiede so groß, das man, wenn man nur das kambodschanische Schriftsystem kennt, in der Regel kein Sanskrit lesen kann.
Das Khmer-Skript sieht ziemlich cool aus und ich würde es gerne können, nur leider ist es so verdammt schwer. In unserem lateinischen Schriftsystem ist es relativ einfach, zwischen einem „a“ und einem „b“, einem „d“ und einem „t“, ja selbst zwischen „u“ und „n“ zu unterscheiden. In Khmer ist es aber gar nicht so einfach den Unterschied zwischen „ក", គ und ត zu entdecken.
Kleiner Ausschnitt aus dem Alphabet. Die Zeichen habe ich selbst geschrieben
Alle sagen deswegen, dass man sich lieber auf das Sprechen konzentrieren soll, wenn man die Sprache lernen will und das Alphabet erst mal weglässt. Weil ich so gerne auf den Rat anderer Menschen höre, habe ich nach vier Wochen trotzdem angefangen das Alphabet zu lernen. Mittlerweile kann ich 25 Konsonanten, von 33. Wenn ich mit den Konsonanten fertig bin, fange ich an die 23 Vokale und danach die vielen Subkonsonanten und Sonderzeichen zu lernen. Das Lernen des Alphabets macht mir aber richtig Spaß. Ich weiß, dass ich auch ohne Lesen und Schreiben durchkommen könnte, aber ich fände es schon cool, diese schönen Schriftzeichen zu lesen und verstehen zu können. Ich glaube, dass ich die Sprache, mit der ich mich mittlerweile so langsam anfreunde, noch mehr wertschätzen und verstehen könnte, wenn ich wüsste, wie das Schriftsystem funktioniert. Außerdem rede ich mir ein, dass mir das Beherrschen des Alphabets irgendwann auch beim Vokabellernen oder so helfen könnte… Naja, mal schauen. Mein Ziel ist es jedenfalls irgendwann die Ladenaushänge und Speisekarten auf Khmer lesen und verstehen zu können. Auch wenn die oft direkt daneben auf Englisch übersetzt sind.
Der Satz, den ich weiter oben geschrieben habe, sieht in einem für mich und den meisten meiner Leser bekannten Schriftsystem übrigens so aus:
Njom cheh niyey Khmer tik tik
Also auf Deutsch übersetzt:
Ich spreche ein wenig Khmer.
Wort für Wort würde der Satz übrigens so lauten:
Ich kenne Sprache Khmer wenig wenig
Die Grammatik ist übrigens bisher (bis auf Ausnahmen) gar nicht mal so kompliziert. Anders als im Deutschen gibt es keine Artikel. Also kein Rätseln, warum die Lampe jetzt weiblich oder der Tisch männlich ist. Bisher sind mir auch keine Akkusativ-, Dativ-, und weitere ähnliche Konstruktionen bekannt. Die allgemeine Regel ist recht simpel: Subjekt-Verb-Objekt. Also, wie beim Englischen:
Ich heiße Nicolas
Njom chmour Nicola (das s lassen die Kambodschaner aus irgendeinem Grund immer weg)
Ich gehe Arbeit
Njom töew twerka
Twerka ist einfach zu merken, weil es fast wie „twerken“ klingt. (Wer nicht weiß, was twerken ist, sollte mal ein paar Hiphop-Videos schauen, oder vielleicht auch eher nicht?)
Und da sind wir wieder bei dem Anfangs erwähnten „süßen“ Klang, der mir doch manchmal zu „sweet“ ist. Khmer ist wirklich voller Wörter, bei denen ich ehrlich gesagt schmunzeln muss.
„Ich“ heißt „knjom“ bzw. „njom“ und
„essen“ heißt „njam.“
„Ich esse“ heißt also „njom njam“, bzw. „njom njam bai.“ Hach, wie süß!
„Bai“ steht übrigens für „Reis.“ Weil Reis in Kambodscha ein so wichtiges Grundnahrungsmittel ist, sagt man also immer „ich esse Reis“, selbst wenn man eigentlich Nudeln isst. So ähnlich ist das doch bei uns Deutschen beim Abendbrot.
„Kugelschreiber“ heißt hier übrigens „bik(ch)“ (fast wie das Englische „bitch“). Der Name hat aber tatsächlich nichts mit Rotlicht zu tun, sondern mit der Kullifirma „BIC“. Das ist quasi genau so, wie wenn wir statt Klebeband „Tesafilm“ sagen.
Zwei weitere Ähnlichkeiten fand ich hingegen mit Französisch. Genau, wie die Franzosen, lieben es die Kambodschaner Buchstaben beim Sprechen wegzulassen. Genau so, wie es auch mit meinem Namen immer passiert. Außerdem ist Khmer, genau wie Französisch, recht nasal. Wobei Khmer wohl sogar noch ein Stückchen nasaler ist.
Khmer und ich hatten keine Liebe auf den ersten Blick. Ich versuche aber hartnäckig zu sein und jeden Tag mindestens dreißig Minuten (eher sogar eine Stunde) kambodschanisch zu üben und mindestens ein paar neue Wörter pro Tag zu lernen. Nach drei Monaten merke ich die Fortschritte. Während ich bei der Ankunft nur „Hallo“, „Danke“ und „Tschüss“ konnte, so bin ich nun halbwegs fähig mich vorzustellen und im brüchigen Khmer erzählen, wann ich wo hingehe und wann ich wieder zurück bin. Infos, die für meine Gastfamilie (vor allem die Gastmutter) wichtig sind, wenn ich Abends ausgehe. Die wichtigste Phrase ist aber: „Njom tenj dtae baidtong tö(e)k doah gkoo, skoa tik tik.“
(„Ich kaufe einen grünen Tee mit Milch und wenig Zucker.“)
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